Wegen der Corona-Pandemie bricht vielen Studierenden der Nebenjob weg. Ulrich Müller, Leiter politische Analysen im gemeinnützigen Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), erläutert, wann ein Studienkredit sinnvoll ist und worauf man dabei achten muss.
Das BAföG verliert seit Jahren an Bedeutung, weil längst überfällige Reformen ausbleiben. Die Folge: Nur noch knapp zwölf Prozent der Studierenden kommen in den Genuss dieser Förderung. Mittlerweile sind Nebenjobs, etwa während der vorlesungsfreien Zeiten, und die Unterstützung durch die Eltern die eigentlichen Eckpfeiler der Studienfinanzierung in Deutschland.
Durch die Covid-19-Pandemie geraten jetzt allerdings viele Studierende in erhebliche finanzielle Nöte, da wegen der Krise viele Nebenjobs wegbrechen. Zudem droht die monatliche Überweisung der Eltern oft auszubleiben, da sich deren Einkommen — etwa aufgrund von Kurzarbeit, Jobverlust oder Umsatzeinbrüchen — teilweise dramatisch verschlechtert.
Das stellt nicht wenige vor große Herausforderungen. Denn wenn man studiert, kommt einiges an Ausgaben zusammen: Miete, Essen und Kleidung, das Handy, der neue Laptop, die Monatsgebühr für das Fitnessstudio, das Semesterticket für öffentliche Verkehrsmittel, das Netflix-Abo, die Fahrradreparatur und noch so manches andere. Problematisch wird es, wenn zum Ende des Geldes immer noch viel Monat übrig ist. Gerade in fortgeschrittenen Semestern kommt so mancher ins Schleudern, wenn ein Teil des Finanzierungsgerüsts wegbricht.
Ist ein Studienkredit das richtige Mittel, wenn es eng wird und man weiterstudieren möchte? Und wenn ja: Welcher Studienkredit empfiehlt sich? Der jährlich CHE-Studienkredit-Test zeigt, dass derzeit über 74.000 Studierende ein Bildungsfonds- oder Studienkredit-Angebot zur Finanzierung ihres Studiums nutzen — das sind 2,6 Prozent. Im Durchschnitt werden 530 Euro pro Monat aufgenommen. Jeden Monat werden fast 40 Mio. Euro ausgezahlt. Insgesamt fließen so bundesweit pro Jahr nahezu eine halbe Mrd. Euro durch Studienkredite und Bildungsfonds.
Angebote wurden eingestellt
Studienkredite — die es in Deutschland erst seit 2005/06 gibt — haben sich also als ein Baustein bei der Studienfinanzierung etabliert. Doch obwohl immer mehr studieren, sank die Zahl der neuen Kreditverträge in den letzten fünf Jahren um beträchtliche 44 Prozent, von 58.543 im Jahr 2014 auf 33.009 im Jahr 2019. Deshalb haben viele Anbieter wie Deutsche Bank, DKB, Career Concept, Festo, Strival, Future Finance und auch die meisten Sparkassen ihre Angebote eingestellt.
Vier von fünf Studierenden (81 Prozent), denen Kredite ausgezahlt werden, nutzen den KfW-Studienkredit — der damit der unangefochtene Marktführer ist. Sie bekommen maximal 650 Euro monatlich, auch wenn sie damit einen weiteren Studiengang, eine Weiterbildung oder eine Promotion finanzieren wollen. Seit Jahren sinken auch bei der KfW die Neuverträge kontinuierlich.
Allerdings zeichnet sich jetzt eine Trendwende ab: Die Bundesregierung hat die Kreditmodalitäten wegen der Corona-Pandemie in zwei Punkten entscheidend verändert: Bis 31. März 2021 ist der Zinssatz auf null Prozent reduziert. Zudem können bis März 2021 auch ausländische Studierende einen Kredit beantragen. Prompt steigt die Zahl der Kreditverträge spürbar an.
Das bedeutet jedoch nicht, das man jetzt leichtfertig einen zinslosen Kredit aufnehmen soll. Zwar erscheint das Angebot auf den ersten Blick großzügig, bei näherem Hinsehen ähnelt es allerdings eher einem Lockvogelangebot: Denn ab April 2021 und während der gesamten Rückzahlungsphase gilt wieder der übliche, nicht gerade attraktive Zinssatz von vermutlich 4,36 Prozent. Damit kommt eine vierstellige Zinslast auf einen zu. Man sollte sich das Angebot also sorgfältig überlegen.
Es ist gut, dass es Studienkredite gibt. Doch noch besser ist es, wenn man ohne sie klarkommt. Andere Geldquellen, also BAföG, Stipendien, Nebenjob und die Eltern, sollten immer Vorrang haben. Da fallen nicht nur keine Zinsen an, diese Mittel muss man zudem nicht oder nur zu einem Teil zurückzahlen. Wer stattdessen vorschnell auf einen Kredit setzt, ohne zuvor andere Finanzquellen in Erwägung gezogen zu haben, begeht möglicherweise einen Fehler, der einen später einiges an Geld kosten kann.
Konkret heißt das: Man sollte unbedingt einen BAföG-Antrag stellen. Denn mindestens die Hälfte des Geldes ist geschenkt, der Rest ist zinsfrei. Die Rückzahlung beträgt maximal 10.000 Euro. Wer bereits BAföG bezieht, kann einen Aktualisierungsantrag stellen, wobei das möglicherweise wegen der Corona-Krise gesunkene Einkommen der Eltern beim BAföG-Anspruch berücksichtigt wird. Vielen bietet sich jetzt auch erstmals die Möglichkeit, BAföG zu beziehen.
Nicht nur für die Besten
Anders als ein Kredit oder BAföG müssen Stipendien überhaupt nicht zurückgezahlt werden. Und es werden nicht nur Leute mit Einser-Abi gefördert. Wer sich während des Studiums ehrenamtlich engagiert, hat ebenfalls gute Chancen.
Auch ein Nebenjob, der in Zusammenhang mit dem Studienfach steht, kann Sinn machen. Er hilft, auf eigenen Beinen zu stehen, wertvolle praktische Erfahrungen zu sammeln — und Schulden zu vermeiden. Nicht zuletzt sorgt er für berufliche Kontakte und Erfahrungen, die einem bei späteren Bewerbungen einen Vorsprung verschaffen können. Selbst wenn das Studium dadurch ein bisschen länger dauern sollte, zahlt er sich aus.
Auch wenn das nicht so gern gehört wird: Naturgemäß ist der Lebensstandard in den Ausbildungsphasen nicht mit dem von Berufstätigen vergleichbar. Wer sich also mittels Kredit einen unangemessen hohen Lebensstandard finanzieren will, erhält dafür später die Quittung.
Vor Leichtfertigkeit bei der Aufnahme eines Studienkredits muss also gewarnt werden — vor übertriebener Angst aber auch. Denn in einigen Fällen ist ein Studienkredit schlicht und einfach die letzte Chance, den Studienabbruch zu verhindern.
Im Falle des Falles hat man dann die Qual der Wahl: Es gibt knapp 50 Angebote in Deutschland — welcher Kredit ist nun der richtige? Vorweg: „Den“ einen guten Kredit, der in allen Lebenslagen passt, gibt es nicht. Es gibt ja auch nicht „die“ Studentin oder „den“ Studenten. Jeder muss also in dem großen Angebot nach dem passenden Kredit suchen. Ein paar Beispiele:
Im Internet findet man zahlreiche weitere Anbieter, die — etwa als Peer-to-Peer-Kredit-Vermittler — „Studienkredite“ anbieten, die bei genauer Betrachtung allerdings gar keine sind. Hier ist größte Vorsicht geboten: Diese Angebote orientieren sich nicht an den Bedürfnissen von Studenten und sind völlig überteuert.
Das Kleingedruckte lesen
Auch ein „normaler“ Konsumentenkredit eignet sich nicht für die Finanzierung eines Studiums. Diese Kredite werden sofort voll ausgezahlt, während bei Studienkrediten meist eine monatliche Auszahlung vorgesehen ist. Außerdem beginnt die Rückzahlung bei einem Konsumentenkredit sofort, während man bei einem Studienkredit zunächst eine Verschnaufpause nach dem Studienabschluss hat, die Karenzphase. Man kann in Ruhe nach einem passenden Job suchen und muss nicht gleich mit der Rückzahlung beginnen.
Wie bei allen Krediten muss man auch bei einem Studienkredit unbedingt das Kleingedruckte lesen. Hier tauchen häufig drei Probleme auf:
Sonderfall Bildungsfonds
Bildungsfonds sind eine besondere Bildungsförderung: Anleger kaufen Anteile an einem Fonds, mit dessen Mitteln Studierende gefördert werden. Diese zahlen das Geld nach Abschluss ihres Studiums mit einem gewissen Prozentsatz ihres Brutto-Einkommens zurück. Dem liegt die Idee zugrunde: „Verdienst du erst mal nichts, musst du auch nichts zurückzahlen. Wenn du dann anfangs noch wenig verdienst, zahlst du auch wenig zurück, ist es später mehr, musst du mehr zurückzahlen, dann kannst du es dir aber auch leisten!“ Diese Grundidee wird in unterschiedlicher Form angewandt.
Weil die Bildungsfonds eine strikte Auswahl unter den Bewerbern treffen, gehören später nahezu alle geförderten Absolventen zu den Gutverdienenden, was den Anbietern eine gute Rendite sichert. Die Finanzierung über einen Bildungsfonds ist in der Regel deutlich teurer als mittels eines anderen Studienkredits.
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