Berufsreport Handel
Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz im Handel? Müssen wir uns an Roboter und ständige Preisänderungen gewöhnen? Eins ändert sich offenbar nie: Handel ist Wandel.
Wer den Saturn-Markt in der Hamburger Mönckebergstraße betritt, wird, mit etwas Glück, von „Paul“ begrüßt. Paul arbeitet dort seit einem Jahr als Verkäufer. Offenbar macht er seine Sache gut, denn seine Vorgesetzten sind mit ihm zufrieden. Auch den Kunden ist er sympathisch, obwohl Gespräche mit ihm in der Regel etwas holprig verlaufen. Denn Paul ist kein Mensch aus Fleisch und Blut, sondern ein Roboter. Die Elektronikkette setzt ihn und drei baugleiche Maschinen seit zwei Jahren in Ingolstadt, Berlin, Hamburg und Zürich als Kundenbetreuer ein, um — wie Chief Innovation Officer Martin Wild meint — „das Einkaufserlebnis in unseren Märkten weiterzuentwickeln“.
In der Tat sind Roboter, die sich wie Menschen verhalten und — zumindest ansatzweise — auch so aussehen, ein Hingucker. Man möchte sie anfassen und ihre Fähigkeiten auf die Probe stellen. Nicht nur Saturn setzt sie deshalb ein. Auch die Konkurrenz von Conrad und die Baumarktkette Toom lassen in einigen ihrer Filialen die Kunden von vollautomatischen Shopping-Assistenten beraten. Bei der Modehauskette Adler geht man ebenfalls mit der Zeit: Hier ist seit drei Jahren der vollautomatische Assistent „Tory“ im Einsatz. Allerdings — vorerst — nur bei der Inventur. Offenbar misstraut man dem modischen Geschmack des Humanoiden. Wer weiß schon, was für ästhetische Vorlieben so ein Roboter hat.
Während es die einen lustig finden, von einer Maschine beraten zu werden, gruselt es andere bei der Vorstellung. Das soll die Zukunft des Einzelhandels sein? Ein Geschäft ohne Verkäufer, nur noch mit surrenden und piependen Apparaten, die einem auf Schritt und Tritt folgen, um alle Bewegungen und Blickkontakte — Data is Money — exakt zu erfassen? Die ständig nachfragen, ob sie einen auch richtig verstanden haben, weil die Spracherkennungssoftware noch nicht ausgereift ist? Und einem dann trotzdem nicht weiterhelfen können, weil auch Roboter nicht allwissend sind? Da kauft man lieber gleich im Internet ein. Oder geht dorthin, wo es noch richtige Verkäufer gibt.
ALDI SÜD
An den Handel hatte Lucas Kohler zu Beginn seines Studiums noch nicht gedacht. Bis er erkannte, welche Möglichkeiten sich hier für ihn bieten. Nach einem zwölfmonatigen Training-on-the-job ist er heute Regionalverkaufsleiter bei ALDI SÜD im Stuttgarter Raum.
Sie sind Regionalverkaufsleiter mit Verantwortung für ungefähr 110 Mitarbeiter. Hatten Sie bereits als Student Ambitionen, später im Handel zu arbeiten?
Kohler: Nicht während meines Bachelorstudiums an der Uni Hohenheim. Der Gedanke kam erst später während des Masterstudiums auf, das ich zum Teil an der Uni Lüttich in Belgien absolvierte.
Was dann zu einem Praktikum im Handel führte?
Kohler: Nein, zuvor hatte ich bereits Praktika in der Automobilindustrie gemacht — wie übrigens viele BWL-Studenten in Süddeutschland.
Wie kam der Schwenk zum Handel?
Kohler: Ich wollte immer schon früh ins volle Managerleben eintauchen und auch Verantwortung übernehmen. Was in großen Industrieunternehmen jedoch nicht so ohne weiteres möglich ist.
Im Handel hingegen schon?
Kohler: Ja, was ich dann auch schnell beim Schnuppertag von ALDI SÜD erkannte, den ich allen empfehlen kann, die beruflich mit dem Handel liebäugeln.
Und hat sich die Hoffnung erfüllt?
Kohler: Auf jeden Fall. Ich bin 31 Jahre alt und für fünf Filialen zuständig, einschließlich Umsatz- und Personalverantwortung.
Ist das nicht fast so, als würden Sie ein kleines Unternehmen führen?
Kohler: Ja, wir nennen das „Unternehmer im Unternehmen“. Natürlich im Rahmen von bestimmten Vorgaben, die eingehalten werden müssen.
Man kann aber Ideen einbringen?
Kohler: Man soll es sogar. Sie werden dann diskutiert und oft auch umgesetzt.
Hinzu kommt natürlich, dass einem der Handel als solcher Spaß machen muss.
Kohler: Das ist die Grundvoraussetzung, die bei mir voll gegeben ist.
Was reizt Sie besonders daran?
Kohler: Die vielen Seiten dieser Tätigkeit. Man hat mit den Kunden, den Mitarbeitern und den Lieferanten zu tun. Es muss einem also Freude machen, jeden Tag mit vielen unterschiedlichen Menschen zusammenzukommen und zusammenzuarbeiten. Handel ist eine sehr lebendige Welt, in der auch Entscheidungsfreude und Pragmatismus gefragt sind.
Also kein Bürojob?
Kohler: Büroarbeit gibt es natürlich auch, doch sie dominiert nicht. Vieles davon lässt sich übrigens vom Laptop aus erledigen. Auch schon mal im Home Office. Ansonsten bin ich jeden Tag in den von mir betreuten Filialen vor Ort, um mit den dortigen Filialleitern unterschiedlichste Dinge zu besprechen und zu regeln.
Ihr Manager-Gen kommt also voll zur Entfaltung?
Kohler: (lacht) So könnte man sagen. Wobei es natürlich auch einer gewissen Einarbeitungszeit bedarf.
Wie sieht die aus?
Kohler: Man durchläuft ein ausgefeiltes zwölfmonatiges Training-on-the-job. Es ist eine generalistische und sehr praktische Ausbildung, bei der es um Rechnungswesen, Controlling, Human Resources, Marketing, Logistik und all die anderen Dinge geht, die man jeden Tag in diesem Beruf benötigt. Man wird also perfekt vorbereitet.
ALDI SÜD ist international tätig. Kann man auch ins Ausland gehen?
Kohler: Ja, was mich übrigens zusätzlich gereizt hat. Da ich außer dem Studium in Belgien als Student auch in den USA war.
Martin Wild von Saturn ist dennoch vom praktischen Nutzen der Maschinenmenschen für seine Branche überzeugt. „Ich glaube fest daran, dass Robotik in fünf bis zehn Jahren erheblich an unserem Leben teilhaben wird — und damit auch im Handel.“ Sein Unternehmen ist inzwischen noch einen Schritt weitergegangen: Im März wurde in Innsbruck ein Testmarkt eröffnet, der ganz ohne Kassen auskommt. Die Kunden bezahlen mithilfe einer App, indem sie den Barcode des gewünschten Produkts mit dem Handy scannen und den fälligen Betrag per Kreditkarte oder Paypal begleichen. Dabei wird die Diebstahlsicherung deaktiviert, sodass man ohne Bedenken mit seinem Einkauf aus dem Laden spazieren kann.
Das erinnert an den kassenlosen Supermarkt „Amazon Go“, den der Internetriese in Seattle eröffnete. Dort ist Einkaufen sogar noch bequemer: Wer sich mithilfe seines Handys als Amazon-Kunde zu erkennen gibt, kann nach Herzenslust shoppen, ohne sich um irgendetwas kümmern zu müssen. Zahllose Kameras und Sensoren im Laden registrieren genau, welche Produkte aus den Regalen genommen und wieder zurückgestellt wurden. Verlässt man das Geschäft, wird der Rechnungsbetrag automatisch vom Amazon-Konto abgebucht.
Nach Startschwierigkeiten — bei größerem Kundenaufkommen verlor die Technik den Überblick — läuft jetzt offenbar alles so geschmiert, dass Amazon eine Expansion im großen Stil plant: Bis Ende 2019 soll es in den USA 50 weitere Amazon-Go-Läden geben, in drei Jahren sollen es schon 3.000 sein. Über Pläne, den kassenlosen Supermarkt nach Europa und Deutschland zu bringen, ist bislang nichts bekannt. Möglicherweise scheut Amazon den harten Preiskampf auf dem deutschen Lebensmittelmarkt, auf dem sich bereits andere — etwa der US-Riese Walmart — eine blutige Nase geholt haben.
Dass es einen langen Atem braucht, um die hiesigen Verbraucher zu überzeugen, erfährt derzeit Amazon Fresh. Anderthalb Jahre nach seinem Start ist der Online-Supermarkt weit davon entfernt, die stationäre Konkurrenz in Angst und Schrecken zu versetzen. Die Umsätze in den drei Liefergebieten Berlin, Hamburg und München seien „überschaubar“, wie die „Lebensmittelzeitung“ schreibt. Während Amazon bei Nonfood-Artikeln im Internet praktisch unangeifbar ist, hat man es bei „E-Food“ mit starken Wettbewerbern zu tun. Denn längst haben deutsche Einzelhandelsketten eigene Lieferdienste an den Start gebracht — wie Rewe Online und Bringmeister, das zu EDEKA gehört.
P&C
Bei Mode denken viele Deutsche zuerst an Peek & Cloppenburg. Die Bekleidungshäuser des Düsseldorfer Unternehmens prägen seit über hundert Jahren die Silhouette so mancher Stadt — in Deutschland und darüber hinaus. Attraktive Treffpunkte für alle, die in Sachen Mode und Geschmack auf der Höhe der Zeit sein wollen.
Attraktiv ist auch das Junior Traineeprogramm, mit dem Peek & Cloppenburg Düsseldorf bei der Ausbildung des Führungsnachwuchses eigene Wege geht. Bereits ab dem dritten Semester kann man sich bewerben und den Grundstein für eine Fashion-Karriere legen. Denn bei entsprechender Leistung steigt man nach dem Bachelor-Abschluss als Abteilungsleiter oder Merchandise Controller bei P&C ein.
Das Unternehmen bietet auch ein klassisches Traineeprogramm mit den Schwerpunkten Einkauf, Verkauf und Zentrale. In 18 Monaten lernt man alles, was man für die nächsten Steps auf der Karriereleiter benötigt. Das Programm beginnt immer Anfang April und Oktober. Man kann früh Verantwortung übernehmen und das Gelernte unmittelbar in der Praxis umsetzen. Zudem werden zahlreiche Weiterbildungsmöglichkeiten und ein persönliches Mentoring geboten. Und nicht zuletzt auch viele Chancen zum Networking.
Daneben besteht die Möglichkeit, direkt ins Unternehmen einzusteigen. Etwa im Verkauf, in der Zentrale oder bei einem der Tochterunternehmen ANSON’S, International Brands Company und dem Online-Store Fashion ID. Auch wer ein Praktikum bei P&C absolvieren möchte, sei es im Einkauf, Verkauf, Marketing, HR oder Controlling, ist ab dem zweiten Studiensemester willkommen.
Ob humanoide Shopping-Assistenten oder Computersysteme, die unser Einkaufsverhalten studieren: Hinter all dem steckt künstliche Intelligenz (KI). Sie dürfte in den nächsten Jahren zum bestimmenden Thema im Einzelhandel werden — wenn sie es nicht schon ist. Denn kaum ein Gebiet, auf dem sie nicht von Nutzen ist. Etwa bei der Personaleinsatzplanung, der Produktplatzierung oder wenn es darum geht, durch eine intelligente Warendisposition Abschriften zu verhindern. Abschriften sind Verluste, die entstehen, weil Lebensmittel — etwa aufgrund eines abgelaufenen Haltbarkeitsdatums — entsorgt werden müssen. Ihre Verringerung ist also nicht nur gut für den Händler, sondern auch im Sinne der Umwelt.
Eine wichtige Rolle spielt dabei Dynamic Pricing: Durch ständige Preisanpassungen lässt sich die Nachfrage nach einem Produkt so steuern, dass abverkaufte Menge, Lagerbestand und — nicht zu vergessen — die Marge des Händlers in einem optimalen Verhältnis zueinander stehen. Vorreiter ist hier einmal mehr Amazon, das seine Algorithmen so perfektioniert hat, dass Preisanpassungen nahezu in Echtzeit möglich sind. Auf diese Weise maximiert der Internethändler nicht nur seinen Gewinn. Er übt auch erheblichen Druck auf die Konkurrenz aus. Denn wer Amazons Preissprünge nicht mitmacht, riskiert, dass der Kunde woanders einkauft.
Dynamic Pricing ist deshalb nicht unumstritten. Und für den einzelnen Händler auch nicht ungefährlich. Denn welcher Kunde ärgert sich nicht, wenn er nach einem Kauf feststellen muss, dass ein anderer dasselbe Produkt zu einem viel günstigeren Preis erstanden hat? Zudem stehen einige Unternehmen im Verdacht, ihre Preise der — vermuteten — Zahlungsstärke der Kunden anzupassen. So sollen Apple-Nutzer bei Amazon eine Zeit lang höhere Preise gezahlt haben. Amazon bestreitet das, gibt aber zu, Preise den Kunden anzupassen.
Verbraucherschützer sind deshalb alarmiert. Durch undurchsichtiges Dynamic Pricing, so ihr Vorwurf, werde eine große Errungenschaft des Internets — die Preistransparenz — ad absurdum geführt. Und in der Tat: Wenn digitale Fußabdrücke über Preise entscheiden, kann man nirgendwo mehr sicher sein, ob ein Produkt günstig oder überteuert angeboten wird. Sinnvolle Preisvergleiche sind dann nicht mehr möglich.
Ob sich Dynamic Pricing außerhalb der Reise- und Tourismusbranche, wo es seit längerem gang und gäbe ist, durchsetzt, bleibt deshalb abzuwarten. Problematisch ist — vor allem im stationären Handel — die mangelnde Kundenakzeptanz. Elektronische Preisschilder, die — wie an einer Zapfstation — in kurzen Abständen einen anderen Preis ausweisen, wirken auf die meisten Konsumenten eher abschreckend als kaufstimulierend. Auch Unternehmen, die auf Multi- oder Omnichannel setzen, sollten sich gut überlegen, ob sie mit unterschiedlichen Preisen — etwa online und offline — arbeiten wollen. Zumal Dynamic Pricing wegen der damit verbundenen größeren Unsicherheit hohe Anforderungen an das Budgeting und das Forecasting stellt.
Netto Marken-Discount
Netto ist vor allem für sein Traineeprogramm Verkaufsleiter bekannt, mit dem der Führungsnachwuchs im Vertrieb ausgebildet wird. Der Marken-Discounter hat aber noch ein Dutzend weitere Programme in petto, darunter eines für künftige IT-Projektmanager. Daniel Bleicher ist seit acht Monaten dabei.
Sie haben in Regensburg VWL studiert und sind danach als IT-Trainee bei Netto eingestiegen. Eine eher ungewöhnliche Kombination.
Bleicher: Ich habe mich nach dem Studium bewusst für das IT-Traineeprogramm von Netto entschieden, um mir neue Ziele zu setzen und mein Wissen zu erweitern. Es gibt derzeit kaum einen spannenderen Bereich. Und keinen mit so viel Wachstumspotenzial.
Demnach kam ein Direkteinstieg für Sie von vornherein nicht in Betracht?
Bleicher: Trotz Praktika und Werkstudententätigkeit hatte ich das Gefühl, noch zu wenig über die Arbeitswelt im Allgemeinen und die IT im Besonderen zu wissen. Deshalb war das zwölfmonatige Traineeprogramm genau das Richtige für mich. Hier wird einem Zeit gegeben, sich in neue Themen einzuarbeiten und im Unternehmen Fuß zu fassen.
Das Traineeprogramm heißt „Projektierung“. Geht es um Projektmanagement?
Bleicher: Ja. Die Trainees lernen, wie man IT-Projekte plant, konzipiert und zum erfolgreichen Abschluss bringt. Nach dem Programm wird man als Junior Projektleiter eingearbeitet. Zu dessen Aufgaben gehören auch das Projektcontrolling sowie Dokumentationen, Workshops, Schulungen und Präsentationen.
Wie läuft das Programm im Einzelnen ab? Konnten Sie Ihre Fähigkeiten als Projektmanager schon unter Beweis stellen?
Bleicher: Ich bin Teil eines Teams, das an einem großen unternehmensübergreifenden Projekt arbeitet, und dort vor allem für Auswertungen und Analysen zuständig. Auch das Aufbereiten von Daten und der Informationsaustausch mit den anderen Abteilungen gehören zu meinen Aufgaben. Dabei kommt mir ein Praktikum zugute, das ich während meines Studiums im Projektcontrolling eines großen Maschinenbauunternehmens absolvierte.
Bei vielen Traineeprogrammen geht man erst einmal auf eine „Reise“ durchs Unternehmen, bevor man wieder in seinen Heimatbereich zurückkehrt.
Bleicher: Das war auch bei mir so. In den ersten drei Monaten war ich in den unterschiedlichsten Abteilungen — vom Einkauf über den Vertrieb bis zur Logistik. Es war eine ungemein interessante und lehrreiche Zeit, die ich genutzt habe, um Kontakte zu knüpfen und die Netto-Welt kennenzulernen.
Wird man als Netto-Trainee auch in puncto Soft Skills fit gemacht?
Bleicher: In den Abteilungen werden immer wieder Schulungen zu den verschiedensten Themen angeboten, darunter auch solche, mit denen man seine Social und Communication Skills verbessern kann.
Was hat Ihnen an dem Programm bislang am besten gefallen?
Bleicher: Dass man auch als Volkswirt wie ich keine Probleme hat, sich IT-spezifisches Fachwissen anzueignen. Und dass man schon früh Gelegenheit hat, Verantwortung zu übernehmen.
Im Handel ist also — wie eigentlich immer — einiges los. Die Zukunft gehört denjenigen Händlern, die ihre Online- und Offline-Aktivitäten am besten verknüpfen. Denn immer mehr Konsumenten sind beim Shoppen kanalübergreifend unterwegs. So ergab eine Studie zum Konsumverhalten im Fashion-Einzelhandel, dass zwar 42 Prozent der Verbraucher nach wie vor im Ladengeschäft einkaufen, ohne vorher online recherchiert zu haben. 21 Prozent informieren sich jedoch im Internet, bevor sie ein stationäres Modegeschäft aufsuchen. Neun Prozent gehen den umgekehrten Weg. Und 27 Prozent kaufen ihre Bekleidung nur noch im Internet ein.
Die Kreativität, Flexibilität und Zielstrebigkeit, die der Handel beim Werben um König Kunde an den Tag legt, wünscht man sich auch von Bewerbern. Wichtiger als Auslandserfahrung oder exzellente Noten ist den meisten Unternehmen deshalb, dass man eine recht genaue Vorstellung von seinen beruflichen Zielen hat — sprich mit beiden Beinen im Leben steht. Dass man in der Lage ist, sein Hochschulwissen in die Praxis umzusetzen, denn grau ist bekanntlich alle Theorie. Und dass man auch dann einen kühlen Kopf bewahrt, wenn es mal hektisch und stressig wird.
Praktische Erfahrungen — am besten im Handel oder in der Konsumgüterindustrie — sind deshalb bei allen Unternehmen gern gesehen. Sie können durch Praktika, eine Tätigkeit als Werkstudent oder auch ein duales Studium erworben sein. Ein Studienschwerpunkt wie Retail Management, Handelsmarketing oder Vertrieb ist ebenfalls hilfreich, aber in den allermeisten Fällen kein Muss.
Apropos duales Studium: Es hat sich in den letzten Jahren — gerade auch im Handel — zu einem beliebten Ausbildungs- und Recruiting-Instrument entwickelt, dessen Vorzüge immer mehr Unternehmen erkennen und für sich nutzen — Lebensmittelhändler ebenso wie Modehäuser, Drogerieketten, Heimwerkermärkte und E-Retailer. Denn der ständige Wechsel zwischen Theorie und Praxis garantiert eine optimale Vorbereitung aufs Berufsleben. Als Student verdient man gutes Geld und muss nicht nebenbei jobben. Zudem bürgt die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Hochschule für schnellen Erfolg bei der Jobsuche.
Gebr. Heinemann
1879 gegründet, ist Gebr. Heinemann heute in über 100 Ländern präsent und einer der größten Distributeure und Retailer im Reisemarkt. Einsteigern werden ein International Leadership Program und drei Traineeprogramme geboten, die von Maya Donay betreut werden.
Die Retail-Geschäfte Ihres Unternehmens und der Tochterfirmen findet man auf vielen Flughäfen in der ganzen Welt.
Donay: Ja. Gebr. Heinemann ist mittlerweile an 79 internationalen Flughäfen in 29 Ländern vertreten. Wir unterhalten Handelsbeziehungen auf fünf Kontinenten und sind das erfolgreichste Familienunternehmen in der Travel-Retail-Branche.
In welchen Bereichen kann man bei Ihnen arbeiten?
Donay: Als global agierendes Handelsunternehmen bieten wir vielfältige Einstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten. Ambitionierte Teamplayer, die gern Verantwortung übernehmen und Begeisterung für die dynamische Welt des Handels mitbringen, können sich beispielsweise in den Bereichen Einkauf, Sales, Logistik oder Handel einbringen.
Was bieten Sie Nachwuchskräften mit akademischem Hintergrund?
Donay: Für Absolventen gibt es die Möglichkeit, direkt einzusteigen oder durch unsere Traineeprogramme verschiedene Bereiche des Unternehmens kennenzulernen. Neu hinzugekommen ist in diesem Jahr unser International Leadership Program Retail Airports.
Wodurch zeichnet sich das International Leadership Program aus?
Donay: Man lernt dabei das Duty-Free-Geschäft von der Pike auf kennen, übernimmt von Tag eins an Verantwortung und legt damit den Grundstein für eine internationale Karriere im Travel Retail Business. Besonders attraktiv ist zudem, dass zwei Drittel des Programms an unseren internationalen Standorten stattfinden. Darunter sind europäische Städte wie Wien, Budapest oder Oslo, es kann aber genauso gut nach Sydney oder Hongkong gehen.
Welche Vorkenntnisse sollte man mitbringen?
Donay: Uns ist besonders wichtig, dass Bewerber für unser International Leadership Program eine starke Affinität zum Einzelhandel haben, also beispielsweise eine entsprechende Berufsausbildung oder ein Studium mit Handelsschwerpunkt absolviert oder praktische Erfahrung im Verkauf gesammelt haben. Wir suchen Nachwuchsführungskräfte, deren Herz für den Retail schlägt.
Im Einzelhandel muss ja immer mal auch angepackt werden.
Donay: Der berühmte Hands-on-Approach, ohne den es auch bei uns nicht geht.
Die Auslandstätigkeit bedeutet vermutlich auch, dass man über eine gewisse kulturelle Kompetenz verfügen sollte.
Donay: Ja, denn man arbeitet mit internationalen Kollegen zusammen, was Flexibilität und Einfühlungsvermögen erfordert. Auslandserfahrung ist also sehr willkommen. Nicht zuletzt ist im Handel auch Serviceorientierung erforderlich. Es sollte einem leichtfallen, auf Menschen zuzugehen.
Und womit befasst man sich bei den drei Traineeprogrammen?
Donay: Beim Traineeprogramm General Management hat man die Möglichkeit, verschiedene Unternehmensbereiche kennenzulernen und sich auf Einkauf, Vertrieb oder Retail zu spezialisieren. Bei den beiden Traineeprogrammen Logistics und Logistics Engineering setzt man sich intensiv mit logistischen Prozessen und Technologien auseinander.
Auch EDEKA, die Nummer 1 im deutschen Lebensmittelhandel, geizt nicht mit Trainee-Stellen. Beim Traineeprogramm "EDEKA Aufsteiger" in der EDEKA-Zentrale in Hamburg kann man zwischen verschiedenen Schwerpunkten wie Einkauf Food/Nonfood, Supply Chain Management/Logistik, Marketing/Vertrieb oder Controlling wählen. In 18 Monaten wird man Schritt für Schritt auf eine anspruchsvolle Tätigkeit in der Zentrale des Genossenschaftsunternehmens vorbereitet.
Entdeckt man erst während des Studiums sein Herz für den Handel — etwa durch ein Praktikum —, kann man auch über ein Traineeprogramm einsteigen. Fast alle größeren Handelsunternehmen — allen voran die Big Five des Lebensmittelhandels EDEKA, Rewe, Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland), Aldi (Süd und Nord) und Metro (Real) — haben welche im Programm. Beim Marken-Discounter Netto, der zu EDEKA gehört, sind es gleich ein Dutzend, darunter das zwölfmonatige Programm Verkaufsleiter und eines für den IT-Bereich.
Oder Kaufland. Das Unternehmen, das wie Lidl zur Schwarz-Gruppe gehört, hat ein zwölfmonatiges Traineeprogramm aufgelegt, das mit den Schwerpunkten Vertrieb, Logistik, Produktion, Bau & Immobilien, Einkauf & Beschaffung, Verwaltung und Personal angeboten wird. Feste Bestandteile der Ausbildung sind ein eigenes Projekt, ein dreimonatiger Filialeinsatz und Einsätze in wichtigen Schnittstellenbereichen.
Auch außerhalb des Lebensmittelhandels sind Einstiegsprogramme weitverbreitet. So lockt Peek & Cloppenburg modebewusste Studenten mit dem Junior Traineeprogramm. Und bei den Gebr. Heinemann — einem Retailer, der Flughäfen, Airlines und Kreuzfahrtschiffe beliefert — kann man zwischen einem internationalen Leadership Program und drei Traineeprogrammen wählen.
Wie man sieht, werden im Handel nicht nur Nachwuchskräfte für den Vertrieb gesucht. Ebenso willkommen sind Absolventen mit einem Faible für den Einkauf, für Logistik oder — auch im Handel ein ganz wichtiges Thema — für IT und alles, was mit der Digitalisierung zusammenhängt. Übrigens heißt es fast überall „Bachelor Welcome!“ Hauptsache, man trägt es in sich, das Handels-Gen. Ist man also jemand, der Handel kann? Um das herauszufinden, gibt es nur eine Möglichkeit: den Sprung in die Praxis wagen und eigene Erfahrungen machen.